Druckhistoriker fordern zukunftsfähiges Gutenbergmuseum

Der „Internationale Arbeitskreis für Druck- und Mediengeschichte (IADM)“ war davon überzeugt, dass der Rat der Stadt Mainz im Jahr 2018 ein Feuerwerk der Freude abbrennen würde, denn es jährt sich der 550. Todestag von Johannes Gutenberg, der seine Erfindung des Buchdrucks in seiner Heimatstadt zur Vollendung gebracht hatte. Durch die unbegrenzte Reproduktion der Schriftsprache geht von dem Millenium-Mann eine Revolution des Glaubens, der Bildung, der Aufklärung und vielem mehr aus. Durch diese Erfindung wurde für viele Bürgerinnen und Bürger erst der uneingeschränkte Zugang zu Informationen und die verstärkte Teilhabe an Entscheidungsprozessen der Politik, an Demokratie in der heutigen Form möglich. Dies zu ehren und einen Blick auf die bahnbrechende Innovation des 15. Jahrhunderts und seine Nachwirkungen bis in die Gegenwart zu werfen, zieht das die Person Gutenberg und seine Wirkungsgeschichte ins Zentrum gestellte „Weltmuseum der Druckkunst“ Besucher aus allen Erdteilen an. Unterstützt wird dieser ständig fließende Strom von Interessierten durch das nahe liegende Kreuz der Luftfahrt in Frankfurt am Main. Alles also gut? Nein, gar nichts ist gut, denn dieses Juwel der Stadt muss – der Zeit angepasst – einer didaktischen und methodischen Modernisierung unterzogen werden. Dazu hat aufgrund von konzeptionellen Vorüberlegungen und durchgeführten Ausschreibung der Stadtrat am 8. Februar 2017 einen entsprechenden Beschluss gefasst, der mit berechtigtem Stolz bei knapper Finanzlage einen Erweiterungsbau verkündet hat.

Doch nun beginnt eine politische Lokalposse, die kaum zu toppen ist: Der Entwurf zum Umbau enthält auf dem Liebfrauenplatz die Errichtung eines der Metalletter nachempfundenen 23 Meter hohen Turms, in dem die erste gedruckte Bibel und andere Inkunabeln ausgestellt werden sollen. Gegen dieses Bauwerk hat sich eine Bürgerinitiative formiert, deren Hauptanliegen es ist, den Standort für das traditionelle Marktfrühstück und drei zu fällende Platanen zu erhalten. Um diese Grundanliegen werden natürlich noch andere Scheinargumente herum gruppiert, die dem Widerstand eine gewisse Seriösität geben sollen. Aber warum nicht? Die Blockierer bekommen für einen Bürgerentscheid immerhin 9500 Stimmen, die sie zu spät einreichen, so dass diese ganze Aktion hätte abgeblasen werden können. Was macht aber nun der Stadtrat? Er initiiert selbst den überhaupt ersten in Mainz durchgeführten und ca. 300000 € kostenden Bürgerentscheid, und zwar den zur Erweiterung des Gutenberg-Museums. Die bundesweite Reaktion ist ein Kopfschütteln bei allen für Kulturpolitik und Museen zuständigen Akteuren.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Rund 164000 wahlberechtigte Mainzer dürfen nun am 15. April 2018 über die verbesserten Ausstellungsbedingungen des Gutenberg-Museums abstimmen. Wenn 15 Prozent von ihnen mit ja oder nein stimmen, dann ist die Entscheidung für den Stadtrat bindend, d.h. 24582 Personen haben dann entschieden, ob die Stadt eines ihrer Alleinstellungsmerkmale international ins richtige Licht setzen darf. Bürgerbeteiligung wird damit ad absurdum geführt, wenn letztlich eine Stimme Mehrheit für oder wider den Ausschlag gibt, also im knappsten Fall 12292 gültig abgegebene Stimmen, ob oder ob nicht das Weltkulturerbe einen würdigen und zeitgemäßen Platz erhält.

Dieser hinter hehren Zielen der Demokratie und Partizipation versteckte Unsinn ist nicht mehr zurückzuholen. Die Geschichte der Schildbürger erhält ein neues Kapitel. Gesteigert wir dies noch durch die städtische „Ampelkoalition“, deren Parteien sich nicht in die Bürgerauseinandersetzung hinein ziehen lassen wollen und deshalb auch keinen aktiven Part in der Werbung für den Bibelturm übernehmen wollen. Völlig unverständlich ist dieses Verhalten, denn sie sind doch – aus der Stadtgesellschaft heraus – zu Repräsentanten und damit Entscheidungsträgern gewählt worden. Es hat fast den Anschein, als wenn unter dem Kosten- und Spardiktat die Stadtoberen die Chance sehen, sich mit Unschuldsmiene vom bekannten Acker eigener Beschlüsse machen zu können. Wenn dem aber nicht so ist, dann erreicht die Verantwortlichen vielleicht noch der an ihre Vernunft gerichtete Appell des IADM: Zeigen Sie Mut zum Bekenntnis, machen Sie das Gutenberg-Museum zu einem Landesmuseum, konzentrieren Sie alle Kräfte, um den Edelstein der Stadt Mainz – seiner zivilgesellschaftlichen Bedeutung gemäß – mit neuem Glanz zu versehen, ihn zukunftsfähig zu machen. Die Stadt- und die weit über die Region hinausgehende Kultur- und Mediengeschichte wird es Ihnen danken.

Dr. Harry Neß
1. Vorsitzender IADM
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